Und wie geht ihr damit um?
Verschiedene Länder, ähnliche Herausforderungen, landesspezifische Lösungen. Ein kleiner Einblick in das Treffen des International Network of National Language Centres (10.-11. Juni 2025, Graz).
Ein Beitrag von Anna Gazdik
Verschiedene Länder, ähnliche Herausforderungen, landesspezifische Lösungen. Dennoch kann man voneinander lernen und sich von den Erfahrungen der anderen inspirieren lassen. So lassen sich die Tätigkeiten des Netzwerks INNLAC (International Network of National Language Centres) zusammenfassen. Das 2006 vom Österreichischen Sprachen-Kompetenz-Zentrum und dem norwegischen Fremmedspråksenteret gegründete INNLAC wurde mit der Zeit um sieben weitere Mitgliedsinstitutionen erweitert: die nationalen Sprachzentren aus Dänemark, Frankreich, den Niederlanden, Schweden, der Schweiz, Schottland und Ungarn. Nach zehn Jahren wechselnder Gastgeberschaft, hatte das ÖSZ im Juni 2025 wieder die Ehre, die internationalen Kolleginnen und Kollegen in Graz willkommen zu heißen.
Migration, Herkunftssprachen und Bildungssprache, die Anwendung von KI im Sprachunterricht, Lehrerausbildung und -weiterbildung sowie der Lehrer:innenmangel waren nur einige der Themen, zu denen sich die Teilnehmenden bei dem jährlichen Treffen ausgetauscht haben. Am Rande oft angesprochen aber nie ausführlich diskutiert wurde die beunruhigende Frage: „In einer Zeit, in der sowieso alle Englisch können und mit KI-Tools alles sofort übersetzt werden kann, ist es überhaupt noch sinnvoll, Fremdsprachen zu lernen?“ Und selbst wenn Sprachexpert:innen davon überzeugt sind, wie können Schüler:innen motiviert werden, eine zweite Fremdsprache zu lernen?
Es zeigen sich überall ähnliche Tendenzen: In den Niederlanden ist die Dominanz des Englischen bereits so ausgeprägt, dass die Fächer Deutsch und Französisch an der Universität Utrecht eventuell aufgegeben und zu einem Fach „Fremdsprachen“ zusammengeführt werden. Die geografische Nähe der Nachbarländer Frankreich und Deutschland führt nicht zu einer verstärkten Motivation, Partnerschaften mit den dortigen Schulen aufzubauen. In Dänemark, Norwegen und Schweden wird auf die hohen Abbruchsquoten im Fremdsprachenunterricht hingewiesen: Der Erwerb einer Fremdsprache erfordert ein langjähriges Engagement und andauernde Motivation, die nicht immer vorhanden sind. Zudem seien Sprachlehrmethoden oft veraltet und die Prüfungen zu wenig kommunikationsorientiert. Selbst in der Schweiz wird die Notwendigkeit des Unterrichts einer Nationalsprache als Fremdsprache in der Volksschule immer wieder in Frage gestellt. Das formale Sprachangebot in den meisten Ländern ist auf die großen europäischen Prestigesprachen fokussiert, wobei die Sprachen „außerhalb des Bildungssystems“ im Schulalltag häufig nicht aufgegriffen werden.
Was kann man also tun? Eine Auswahl der Überlegungen der INLLAC-Mitglieder:
- Englisch ist nicht genug!: Verständnis dafür schaffen, dass utilitaristische Englischkompetenz nicht ausreicht und stabile Beziehungen zwischen Menschen, Gesellschaftsschichten und Völkern nur durch sprachliches Verstehen/Verständnis erreicht werden können.
- Mehrsprachigkeit und andere Herkunftssprachen: Lehrpersonen mit anderen Erstsprachen an Schulen und Hochschulen anstellen, Anerkennung der Herkunftssprachen der Schülerinnen und Schüler als zweite/dritte lebende (Fremd)sprache schaffen
- Motivation: neue Lernwege (Mediation & Translanguaging) beschreiten, spezielle Sprachveranstaltungen organisieren, attraktive Apps entwicklen, Auszeichnungen für Schulen mit hervorragenden Sprachprojekten vergeben (z.B. Europäisches Sprachensiegel)
- Administrative Systeme: mehr Anerkennung für den Lehrberuf schaffen, mehr kollaboratives Arbeiten und gegenseitige Unterstützung der Lehrpersonen forcieren
Was konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des INNLAC-Netzwerks mit nach Hause nehmen? Anregende Gespräche, neue Denk- und Lösungsansätze und die Erkenntnis: Jede Reise in Richtung Veränderung, beginnt mit der Erkennung und Bennennung der Herausforderungen.